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SPRACHLOS IN VENEDIG

















Die FFF-geförderte Experience Emperor lief bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig im Wettbewerb von Venice Immersive und gewann den Achievement Prize. Hinter der internationalen Koproduktion steckt auch die deutsche Firma Reynard Films.











Von Jürgen Moises













Stell Dir vor, Du willst jemandem etwas Wichtiges sagen, aber Dir fehlen die Worte dafür. Entweder sie fallen Dir partout nicht ein oder es kommen permanent die falschen Worte, falschen Laute oder Silben aus dem Mund. Ein verwirrendes und unverständliches Kauderwelsch, das eine Kommunikation unmöglich macht. Menschen mit Aphasie machen solche Erfahrungen tagtäglich. Manchmal können sie auch die Worte von anderen nicht mehr richtig verstehen. Sie haben Probleme beim Lesen und Schreiben. Sie fühlen sich ausgeschlossen, kommen sich einsam und verloren wie in einem weit entfernten Land vor, ohne Zugang zur restlichen Welt. Wie so ein Leben mit Aphasie ist, kann man sich kaum vorstellen, solange man selbst nicht von dieser „Sprachlosigkeit“ (das bedeutet Aphasie auf Griechisch) betroffen ist. Eine leichte Ahnung kann man aber trotzdem bekommen. Und zwar mithilfe von Emperor, einer interaktiven, narrativen Virtual-Reality-Experience, die sich Marion Burger und Ilan J. Cohen ausgedacht haben.

Katharina Weser von Reynard Films und FFF Fördererent Max Permantier bei Venice Immersive im September 2023

Bei Venice Immersive, der Extended-Reality-Sektion der 80. Filmfestspiele in Venedig im August und September 2023, war Emperor in diesem Jahr als Premiere zu erleben und wurde dort mit dem Achievement Prize gewürdigt. Marion Burger und Ilan J. Cohen sind zwei französische Filmemacher. Burger arbeitet seit Jahren als Produktions­designerin, Cohen hat Regie-Assistenz bei mehreren Filmen gemacht und zahlreiche Musikvideos geschrieben und gedreht. Emperor ist ihre erste gemeinsame Regie-Arbeit und auch ihre erste Virtual-Reality-Arbeit. Produziert wurde die Experience von der Pariser Produktionsfirma Atlas V in Kooperation mit France Télévisions, PICO und der in Deutschland beheimateten Firma Reynard Films. Die hat in Leipzig sowie im bayerischen Pfarrdorf Agawang in der Nähe von Augsburg ihren Sitz. Und dadurch kam bei der Finanzierung neben dem französischen CNC oder dem Medienboard Berlin-Brandenburg auch der FFF Bayern mit an Bord.





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Video: FFF Bayern/Olga Havenetidis



Was Emperor für Reynard Films für eine Koproduktion interessant machte? Nun, laut der Produktionskoordinatorin Maurane Cugny ist es die sehr intime und „sehr berührende“ Geschichte, wie sie am Telefon erzählt. So wie die Tatsache, dass diese Geschichte als 2D- und 3D-Animation auf eine „sehr schöne Art und Weise“ in einem schwarzweißen Zeichentrickstil gestaltet ist. Inspiriert ist sie von Marion Burgers Vater, der seit einem Schlaganfall vor 15 Jahren an Aphasie leidet. Das heißt: „Er verwechselt Wörter und stolpert über jede Silbe. Er versteht alles, aber er kann sich selbst nicht mehr verständlich machen“, wie es die Autorin und Regisseurin in einem offiziellen Statement zu Emperor beschreibt. Auch sie nahm die Aphasie, schreibt sie, irgendwann wie ein „weit entferntes Land“ wahr, in dem ihr Vater verloren war. Und sie erkannte, dass sie, um seine Worte besser zu verstehen, in seine Vergangenheit eintauchen muss.





















Genau das passiert an mehreren Stellen nun auch in Emperor. Mit der Besonderheit, dass man das wie auch alles andere mithilfe eines Virtual-Reality-Headsets aus der Sicht des an Aphasie leidenden Vaters erlebt. Seine Perspektive ist es, die man als Benutzer*in einnimmt. Man sieht seine Hände und diese sind für die Geschichte „sehr wichtig“, wie Maurane Cugny erzählt. Denn man kann diese bei den interaktiven Teilen der Geschich­te, wo es beispiels­weise einen Kassettenrekorder oder Lichtschalter einzu­schalten gibt, „benutzen“. Deswegen sollte man das Experiment auch „am besten ohne Controller“ und stattdessen direkt „mit den Händen“ nutzen, so Cugny. Wobei die in der virtuellen Realität zu sehenden Hände zunächst alt und später dann auch jung sind, und zwar dann, wenn es in die Vergangenheit des Vaters geht. Neben den Händen sieht man auch die Tochter, etwa wenn sie einem bei den Logopädie-Sitzungen am Tisch gegenübersitzt und mit einem redet. Ihr Gesicht erkennt man aber nicht. Und von der Mutter hört man nur die Stimme. Was die Logopädie-Sitzungen angeht, da gilt es etwa Wörter mithilfe von Karten zu legen. Nur dass das nicht so richtig klappt. So kann es passieren, dass aus dem geplanten Wörtchen „froh“ stattdessen das Wort „Floh“ wird. Das kann frustrierend sein. Und genau das soll Emperor für die Benutzer*innen auch erlebbar machen. Genauso wie die Tatsache, dass die Krankheit des Vaters die Familien­verhältnisse verändert. Daneben gibt es in den etwa 35 bis 40 Minuten aber auch schöne und komische Momente. Und auch das soll Emperor laut Maurane Cugny zeigen: Dass es auch einen positiven Weg gibt, mit der Aphasie zu leben.





















Wer das selbst erfahren will, der kann das vom 24. November 2023 an im Forum der Zukunft des Deutschen Museums in München tun. Dort wird die Experience auf Einladung des XR HUB Bavaria gezeigt, nachdem sie Anfang November beim International Documentary Film Festival Amsterdam (IDFA) präsentiert wurde. Danach soll es laut Cugny noch weitere Vorführungen geben. Außerdem soll Emperor in den nächsten Monaten auf www.picoxr.com als downloadbare App für das gleichnamige XR-/VR-Headset erscheinen.























Emperor ist nicht die erste VR-Produktion der Firma Reynard Films, die 2016 von Georg Neubert und der aus Agawang stammenden Katharina Weser gegründet wurde. Vor zwei Jahren kam mit VR Biolum eine ebenfalls vom FFF Bayern geförderte Sci-Fi-Meeres-Simulation heraus. Und laut Cugny sind aktuell drei weitere VR-Produktionen sowie ein Spielfilm und eine in Tschechien entstehende Animationsserie in Planung. Reynard Films unterstützt dabei nicht nur die Finanzierung. Stattdessen haben sie in Potsdam auch die Motion-Capturing-Aufnahmen für Emperor koordiniert. Außerdem wurde, erzählt Cugny, die deutsche Synchronfassung (im Englischen und Französischen fungieren Olivia Cook und Vimala Pons als Erzählerinnen) vom Münchner Studio VRTonung gemacht. Die Technical Supervisorin Nicole Popst stammt ebenfalls aus München. Und mit Thomas Kress und Andreas Braun waren zudem ein 2D-Animations­künstler aus München und ein 3D-Modelierer aus Landsberg am Lech an Emperor beteiligt. Dieses Know-how wollen sie auch in Zukunft weiter nutzen und sich ein künstlerisches Netzwerk in Deutschland aufbauen, zu dem für Maurane Cugny auch der sehr gute Partner FFF Bayern gehört.

























Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information Text: Jürgen Moises Redaktion: Dr. Olga Havenetidis Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier





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