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UND PLÖTZLICH WAR ES STILL



























Matthias Helwig und Veronika Osterauer besuchten das Haifa Film Festival, um das Fünf Seen Filmfestival 2024 vorzubereiten. Ihr Abreisetag: 7. Oktober 2023. Bericht über einen Alptraum





























Von Anna Steinbauer Fotos: Veronika Osterauer/ Fünf Seen Filmfestival

































Erst zuhause löste sich die unbewusst abgespeicherte Angst. Diese Reise werden Matthias Helwig und Veronika Osterauer vom Fünf Seen Filmfestival nicht so schnell vergessen. Die beiden flogen nach Israel, um das Filmfestival in Haifa zu besuchen. Zurück sollte es für sie eigentlich am 7. Oktober gehen. Doch ihr Rückflug wurde gecancelt, und stattdessen mussten die zwei Filmschaffenden miterleben, wie dem Land sein bis dato schrecklichster Terrorangriff widerfuhr und seine Bevölkerung in einen kollektiven Schock­zustand fiel. Es war der Tag, an dem Hamas-Terroristen ihr Massaker in mehreren Dörfern und auf einem Musik­festival nahe der Grenze zum Gazastreifen verübten. Israel reagierte darauf mit einer großangelegten Militäroperation. Seitdem ist nichts wie zuvor.

Der Aufenthalt war zunächst vielversprechend verlaufen

Ausreisen konnten der Festivalleiter, der auch die Breitwand-Kinos im Landkreis Starnberg betreibt, und die Marketingverantwortliche des Festivals erst am 13. Oktober mit einem Rück­holflug der Deutschen Botschaft – knapp eine Woche später als geplant. Dabei war der Israel-Aufenthalt für die beiden zunächst vielversprechend verlaufen. Grund ihrer Reise war die Planung eines Israel-Schwerpunkts für die nächste Ausgabe des Festivals.











































Der Besuch beim Festival in Haifa verlief für Helwig und Osterauer erfolgreich. Von dort aus ging es weiter nach Tel Aviv, von wo aus sie am 7. Oktober zurückfliegen sollten.







































Am Abend des 6. Oktober seien sie in Tel Aviv noch essen gewesen und hätten die heitere und lockerer Stimmung auf den Straßen Tel Avivs genossen, erzählen die beiden bei einem Telefongespräch. Am nächsten Morgen war plötzlich alles anders, die Stadt stand mit einem Mal still. „Um 6.30 Uhr ging eine Sirene los. Ich bin aufgewacht und wusste, irgendwas passiert gerade. In der Ferne haben wir drei Einschläge gehört. Kurze Zeit später bekamen wir vom Vermieter die Nachricht, wo der nächste Shelter ist“, so Helwig.

Als um 10 Uhr die zweite Sirene schrillte, hörten die beiden einen weiteren heftigen Einschlag in der Nähe. „Ich dachte noch: Gut, dass wir bald fliegen“, sagt der Festivalleiter. Doch das war nicht mehr möglich, alle Flüge wurden kurz darauf bis auf weiteres gecancelt. „Da gehen einem wahnsinnig viele Gedanken durch den Kopf. Fährt man zum Flughafen und versucht trotzdem wegzukommen? Wo soll man sich am besten aufhalten?“ Matthias Helwig und Veronika Osterauer entschieden sich, zurück nach Haifa zu fahren und kamen dort in einem kleinen Gästehaus unter. Im Nachhinein gesehen die richtige Entscheidung, finden beide. Als sie Tel Aviv am Samstag gegen 12 Uhr verließen, sei fast kein Auto auf den Straßen zu sehen gewesen. „Die Welt hatte sich gewandelt. Allen war bewusst, dass es das Schlimmste war, was hätte passieren können“, sagt der Kinochef. In Haifa sei es verhältnis­mäßig ruhig gewesen, die beiden konnten kurze Spaziergänge zum Meer unternehmen und darauf warten, bis sich in Sachen Rückflug etwas bewegte.

In den Nächten hörten sie immer wieder Kampfflieger Richtung Gazastreifen aufbrechen

Als bekannt wurde, dass der nächste Flug in die Heimat erst für den darauffolgenden Samstag angesetzt war, begann der Ansturm auf die Plätze, erinnert sich Osterauer: „Wir waren Stunden damit beschäftigt, Verbindungen auszuwählen und kamen einfach nicht durch. Da wurde auch ich nervös.“ In den Nächten hörten sie immer wieder Kampfflieger Richtung Gazastreifen aufbrechen. Dazu die Nachrichtenflut mit den schrecklichen Bildern vom Massaker und dem Elend in Gaza und ihre besorgten Familien in Deutschland. Dennoch seien sie beide ruhig geblieben; ihre privilegierte Lage war ihnen trotz allem stets bewusst gewesen, so Veronika Osterauer.











































Noch einige Tage zuvor waren sie in den Kinosälen von Haifa gewesen, das schien nun ganz weit weg. „Die Situation dort war schon sehr angespannt. Alle Restaurants waren geschlossen, das öffentliche Leben sehr zurückgefahren.“







































Die Angst sei eher rückwirkend gekommen. Denn vor Ort in Haifa hätten sie sich nicht gefährdet gefühlt, im Gegenteil: Rührende Szenen von der Solidarität eines Landes, das in den Krieg zieht, hätten sie beobachtet. Ein kleines Restaurant, das Care-Pakete für die Soldaten anfertigte oder die Verabschiedung eines Reser­visten, der an die Front zog. Für die beiden Festivalmacher*innen blieb nur die Hoffnung, dass die Deutsche Botschaft ihnen irgendwann bei der Ausreise helfen würde. Viele besetzte Leitungen und Warteschleifen später, mit tele­fonischen Umwegen über die Philippinen und Südafrika, gelang es Osterauer und Helwig schließlich, Plätze für einen der acht Rückholer-Fluge nach München zu bekommen. Gegend Ende der Woche war ihr Gästehaus in Haifa komplett leer, die beiden waren die letzten Gäste, die ausgeflogen wurden.

„Nochmal mehr ist mir bewusst geworden, wie notwendig es ist, Haltung zu beziehen“

Zurück in Deutschland gilt es nun, das Erlebte zu verarbeiten: „Mich beschäftigt das schon alles sehr. Nicht so sehr die Angst, aber dass man dort war und mehr von Land und Leuten mitbekommen hat. Dadurch fühle ich mich verbundener“, sagt Helwig, der auf jeden Fall wieder nach Israel fahren wird. Osterauer geht es ähnlich. Als sie am Tag ihrer Rückkehr zuhause in München ankam, fiel ihr als Erstes aus dem überfüllten Briefkasten ein Werbekärtchen einer als rechts geltenden Partei entgegen „Nochmal mehr ist mir vor dem Hintergrund des gerade Erlebten bewusst geworden, wie notwendig es ist, Haltung zu beziehen – insbesondere in Zeiten, in denen Rassismus und Antisemitismus wieder vermehrt hier in Deutschland aufkommen“.









Matthias Helwig mit Veronika Osterauer in Haifa, vor dem 7. Oktober 2023. Er ist Gründer und Chef des Festivals, sie ist dort zuständig für das Marketing. Geplant ist, Israel zum Schwerpunkt in der Festivaledition 2024 zu machen. Stattfinden wird das 18. Fünf Seen Filmfestival vom 20. bis 28. August 2024.







Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information Text: Anna Steinbauer Redaktion: Dr. Olga Havenetidis Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier





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